Moschee in Nieder-Florstadt: Grundstück wurde nicht von der Stadt verkauft! Ein Vorkaufsrecht bestand zu keiner Zeit


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

 

kurz vor der Fertigstellung der ersten offiziellen Moschee in Nieder-Florstadt mehren sich wieder Gerüchte, Falschbehauptungen und Nachfragen bezüglich dieses nicht unumstrittenen Bauprojekts an dieser Stelle im Stadtgebiet. Da damit offensichtlich mittlerweile auch politische Ziele verfolgt werden sollen halte ich es für angebracht, hierzu öffentlich Stellung zu beziehen und möglicherweise bisher unbekannte Fakten einer breiteren Interessensgruppe zur Kenntnis zu geben.

 

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Artikel 4 unseres Grundgesetzes die Freiheit des Glaubens sowie die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses als unverletzlich manifestiert und die ungestörte Religionsausübung zu gewährleisten ist. Dies gilt natürlich für jede Art des Glaubens oder einer Weltanschauung, solange damit keine anderen Rechte verletzt werden.

 

Auf Basis dieses Grundrechtes ist es also generell möglich, nahezu überall Baurecht für ein der Religionsausübung dienendes Gebäude zu bekommen. Ich mache keinen Hehl daraus, und das kommuniziere ich auch offen gegenüber der Ahmadiyya-Gemeinde, welche diese neue Moschee errichtet hat, dass ich mir an diesem Standort in diesem zentralen Einzelhandelsgebiet lieber einen anderen, dem Handel oder Dienstleistungen dienenden Nutzungszweck, gewünscht hätte.

 

Dies hat der private Grundstückseigentümer offensichtlich anders gesehen, dem wir bereits Jahre vor dem Verkauf des Grundstückes an die Ahmadiyya-Gemeinde, mehrere Alternativen zur wirtschaftlichen Nutzung aufgezeigt und auch empfohlen hatten. Erst als der Kaufvertrag mit der Ahmadiyya-Gemeinde bereits unterzeichnet war, haben wir davon Kenntnis erhalten, dass das Grundstück nicht an einem Ivestor verkauft wurde. Die Ausübung eines Vorkaufsrechtes war aus rechtlichen Gründen in diesem Mischgebiet aber definitiv nicht möglich.

 

Da der Verkäufer überdies ein aktives Mitglied im evangelischen Kirchenvorstand unserer Gemeinde ist, in dem dieses Thema in meiner Anwesenheit ebenfalls diskutiert wurde, gab es somit weder eine rechtliche Möglichkeit noch erkennbare moralische Gründe, diesen Bau an dieser Stelle – wie auch immer - zu verhindern.

 

Wohlwissend, dass diese Entscheidung des Verkäufers nicht ohne kritische Fragen in unserer Kommune diskutiert werden würde, habe ich der Ahmadiyya-Gemeinde daher unverzüglich nach Kenntnisnahme des Kaufvertrages ein alternatives Grundstück in der Nähe des Rat- und Bürgerhauses angeboten, was ich für weit aus passender und angemessener empfunden habe. Da die Ahmadiyya-Gemeinde aber bereits einen Zuschuss bei ihrer „Landeskirche“ auf dem Grundstück in der Willy-Brandt-Straße gestellt und den Vertrag mit dem privaten Verkäufer rechtsverbindlich abgeschlossen hatte, gab es leider kein Zurück mehr, auch wenn sich die ortsansässige Ahmadiyya-Gemeinde durchaus auch mit meinem Vorschlag hätte anfreunden können.

 

Somit ist festzuhalten,

 

-dass das Grundstück – ohne unser Wissen und Zutun – von privat verkauft wurde.

-ein gesetzliches Vorkaufsrecht nie bestand

-eine Verhinderung an dieser Stelle zu diesem Zeitpunkt weder aus gesetzlichen noch aus baurechtlichen Gründen möglich gewesen wäre.

 

Was wir im Magistrat noch tun konnten, war die Größe der Moschee auf das erforderliche Minimum zu begrenzen und die Höhe und Funktion des Minaretts als kleines Zier-Minarett zu definieren sowie lautstarke „Muezzin-Rufe“ von vornherein zu untersagen. Letzteres lag aber nie in der Absicht der Ahmadiyya Gemeinde, da man auch dort schon länger über Handys und Smartphones zu den Gebeten ruft.

 

Ich möchte deshalb an dieser Stelle ausdrücklich dem Magistrat der Stadt Florstadt danken, der hier durch sein Beschlussverhalten immer bemüht war, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben tragbare Kompromisse zu finden, die sowohl dem Grundrecht auf allgemeine Religionsausübung als auch den Befindlichkeiten unserer überwiegend christlichen Mitbürgerinnen und Mitbürgern entsprachen. Und wenn selbst ein aktives christliches Kirchenvorstandsmitglied den Bau durch den Verkauf seines Grundstücks an dieser exponierten Stelle erst möglich gemacht hat, auf welcher Grundlage – wenn es rechtlich keine gibt – sollen wir uns als politisches Gremium anmaßen, darüber zu richten?

 

Viel mehr appellieren wir jetzt an unsere Bevölkerung, diese nicht mehr zu ändernde Entwicklung zu akzeptieren und diese Moschee als Ort des Glaubens (an den einen Gott) und der Begegnung anzunehmen.

 

Nicht nur erst seit den Flüchtlingskrisen in den Jahren 2015 und 2016 wissen wir alle, dass vieles nicht mehr so bleiben wird, wie es war. Der Krieg in der Ukraine und jetzt das katastrophale Erdbeben in der Türkei und Syrien führen zu weiteren christlichen und humanitären Verpflichtungen unsererseits.  Danken wir Gott, dass wir seit 1945 von solchen dramatischen Einflüssen auf unser Leben und unseren Wohlstand bisher verschont geblieben sind und besinnen wir uns auf die wahren Herausforderungen unserer Zeit.  Ein weiteres Haus Gottes in unserer Gemeinde - auch wenn der Standort von vielen als suboptimal angesehen wird – sollten wir als Bereicherung und Akt des Aufeinanderzugehens begreifen. Schließlich sind die meisten Mitglieder der Florstädter Ahmadiyya-Gemeinde unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger und diese Glaubensgemeinschaft, als einzige Muslimische in Deutschland, als Körperschaft des öffentlichen Rechts, wie unsere christlichen Kirchen, anerkannt.

 

Seien Sie bitte tolerant und offen für Neues, den Lauf der Welt können wir auch in Florstadt nicht aufhalten – aber gemeinsam für alle erträglicher gestalten.

 

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Bürgermeister

 

Herbert Unger